Josh Shapiro und das Weiße Haus Der Ausgestochene, der Harris über die Schwelle helfen könnte
Von Roland Peters, New York 06.08.2024, 17:25 Uhr
Innerhalb von zwei Wochen durchleuchten die Demokraten mögliche Vizekandidaten für Kamala Harris. Am Ende wird es Gouverneur Tim Walz, der sich gegen Amtskollege Josh Shapiro durchsetzt. Der hat trotzdem eine Schlüsselrolle im Wahlkampf - und möglicherweise für die Zukunft.
Als hätten sie es so geplant. Kamala Harris hat drei Monate vor der Wahl in den USA ihren Vizepräsidentschaftskandidaten gefunden: Minnesotas Gouverneur Tim Walz. Nun wird sie mit ihm auf eine Wahlkampftour durch umkämpfte Bundesstaaten gehen, die über Sieg oder Niederlage im November entscheiden. Der andere heiße Kandidat war Pennsylvanias Gouverneur Josh Shapiro - und er könnte derjenige sein, der Harris über die Türschwelle ins Weiße Haus schiebt.
Kaum war Harris nach Joe Bidens Verzicht die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, wurde schon spekuliert: Wen holt sich die amtierende Vizepräsidentin an ihre Seite? Nun ist die Entscheidung gefallen. Vizekandidaten werden üblicherweise vom Wahlkampfteam und von Anwälten genau unter die Lupe genommen. Wer ist strategisch eine gute Entscheidung? Wer ist ein guter Wahlkämpfer? Wer hat womöglich Leichen im Keller? Das dauert mitunter Monate. Harris hatte praktisch weniger als zwei Wochen. Erst waren es sechs Kandidaten und am Schluss ein Duell zwischen Shapiro und Walz.
Neben den beiden war einer der sechs auch Senator Mark Kelly aus Arizona, der eine inhaltliche Wahl gewesen wäre: Kelly ist ein früherer Soldat und Astronaut, der eine harte Linie bei der Grenzpolitik vertritt und sich für Waffenbesitz starkmacht - das käme Unabhängigen und eher konservativeren Wählern entgegen. Arizona ist einer der sogenannten Battleground States, die besonders umkämpften Bundesstaaten. Doch als Senator hält Kelly dort einen wertvollen Sitz der Demokraten im Kongress, für mindestens vier weitere Jahre.
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Wählte Harris ihren Vize also eher nach strategischen Gesichtspunkten? Der designierte Vize Walz ist im Bundesstaat Minnesota in seiner zweiten Amtszeit, und womöglich hatte er einen Trumpf: Er lieferte Harris und den Demokraten bereits ein scharfes Schwert für den Wahlkampf. "Diese Typen sind einfach komisch" (these guys are just weird), hatte Walz in einer Morgensendung über Donald Trump und dessen Vize J.D. Vance gesagt, und damit eine Internet-Welle losgetreten. Auch Harris' Wahlkampfteam reitet darauf. Republikaner, die sind nun weird.
Ungelenke Politiker, seltsame Situationen, verdrehte Aussagen: Wollen Demokraten ihre konservativen Konkurrenten wegen deren Verhalten oder Positionen als unwählbar hinstellen, ohne in denselben Duktus wie die Republikaner mit Beschimpfungen und Spitznamen zu verfallen, sagen sie einfach: This is weird. Das ist komisch. Volksnah, nicht diskriminierend, nicht verkopft, das funktioniert. Walz hat damit einen Instinkt bewiesen, der in den kommenden drei Monaten essenziell werden könnte.
Mann der Mitte
Der Walz unterlegene Josh Shapiro wird indes zwar nicht Vize, aber als Wahlkämpfer und Gouverneur von Pennsylvania unverzichtbar sein. Denn wer diesen Bundesstaat im Osten im November gewinnt, hat auch wesentlich höhere Chancen auf einen landesweiten Wahlsieg. Nahezu alle Wege nach Washington führen über die dortigen Stimmen der Wahlleute. Shapiro hat nun eine Aufgabe: Pennsylvania darf nicht in die Hände der Republikaner fallen.
Der Gouverneur hat bei dieser Mission gute Karten. Er kommt in seinem Heimatstaat auf eine Zustimmungsrate von 61 Prozent. In einem hypothetischen Präsidentschaftsduell gegen Trump würde der Gouverneur dort laut Umfragen mit zehn Prozentpunkten Vorsprung gewinnen. Eine Erhebung vom Mai hat zudem gezeigt: Shapiro hat Unterstützter in praktisch allen Bevölkerungsgruppen. Sogar mehr als ein Drittel von Trumps sowie unabhängigen Wählern sehen ihn positiv.
Der 51-Jährige diente sich über Jahre bei den Demokraten hoch. Vor seinem Gouverneursposten wurde er 2016, als Trump die Präsidentschaft gewann, zum Oberstaatsanwalt von Pennsylvania gewählt. Shapiro veröffentlichte einen Bericht über Missbrauch in der katholischen Kirche und wehrte 2020 mit seinem Team über 40 Klagen von Trump wegen angeblichem Wahlbetrug ab.
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Als Mann der Mitte verbreitet Shapiro in Pennsylvania eine wichtige Botschaft: Es geht nur gemeinsam. Der Gouverneur arbeitet permanent mit Republikanern zusammen, weil diese eine der beiden Parlamentskammern kontrollieren. Bei den Arbeitern kommt gut an, dass er am ersten Tag seiner Amtszeit als Gouverneur ein Dekret unterschrieb: Bewerber im öffentlichen Dienst benötigen nun keinen Hochschulabschluss mehr, um angestellt zu werden.
Gute Beziehungen zu Gewerkschaften
Mit fast 15 Prozentpunkten Vorsprung hat Shapiro seine Gouverneurswahl 2022 vor dem republikanischen, von Trump unterstützten Kandidaten Doug Mastriano gewonnen. Das ist ein deutlicher Beleg dafür, wie sehr er Wähler in Pennsylvania mobilisieren kann. Mastriano war zwar ein extremer Kandidat, er wollte Abtreibungen ohne jegliche Ausnahmen verbieten sowie neue Wahlbeschränkungen einführen.
Doch Shapiro ist ein Freund der Gewerkschaften: Seine Verbindungen in die Arbeiterschicht, insbesondere im Energiesektor, könnten ein Schlüssel für einen Wahlsieg im November sein. Die Republikaner attackieren Harris für ihre früheren Ankündigungen, sie wolle Fracking verbieten. Shapiro könnte ihnen den Wind aus den Segeln nehmen, denn sein Bundesstaat ist der zweitgrößte Produzent von Erdgas in den USA.
Shapiro ist zudem ein hervorragender Redner und nie um einen lockeren Spruch verlegen. Während seines Wahlkampfes 2022, als er von Ex-Präsident Barack Obama unterstützt wurde, ging seine feurige Rede über die Bedeutung "echter Freiheit" durch die Medien. Es klingt pathetisch und generisch, aber: Shapiro schafft es, trotzdem authentisch zu wirken.
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Bevor Biden auf seine Kandidatur verzichtete, hatten US-Medien Shapiro wegen dessen Umfragewerten und Werdegangs als einen der wahrscheinlichsten Kandidaten der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl 2028 gesehen. Doch was auch passiert, Shapiro hat schon jetzt eine Schlüsselrolle für die Demokraten und Harris' Kampf ums Weiße Haus. Auch wenn er zunächst Gouverneur bleibt.
Für Shapiro ist der erste Termin von Harris' und Walz' Wahlkampftour ein Heimspiel: in einer Basketballarena in Philadelphia, der größten Stadt von Pennsylvania. Da kann er an der Seite von Harris und Walz einmal mehr zeigen, wie wertvoll er als Wahlkämpfer in seinem eigenen Bundesstaat sein kann.