Age of Mythology: Retold: Test: So schön kann antik sein (2024)

Selbst 22 Jahre nach Release geraten Strategie-Fans bei Age of Mythology noch immer ins Schwärmen. Und verfallen in Sehnsucht nach guten, alten Zeiten. Genau die will das Remake des Klassikers nun in die Moderne transportieren. Mit Erfolg?

Kein Spielegenre ist so fest mit Nostalgie verankert wie die Echtzeitstrategie. Viel bleibt der Spielerschaft auch nicht übrig, immerhin generiert die aktuelle RTS-Fabrik nur wenige Meilensteine, die auch langfristig haften bleiben. Häufig hilft da nur die Flucht in die Vergangenheit, weshalb Fans gerne alte Kamellen auf ihren Rechnern installieren. Age of Empires, Command & Conquer, Siedler, Stronghold ... Alles Marken, die zwar auch zuletzt noch neue Interpretationen hervorbrachten, aber kaum an die Erfolge der Vergangenheit anknüpfen konnten.

Alles neu in Age of Mythology Retold

Gerade bei Age of Empires wird das offensichtlich. Microsoft feierte große Erfolge mit der Frischzellenkur der ersten drei Teile der altehrwürdigen RTS-Marke. Die als Definitive Editions deklarierten Remaster demonstrierten umso mehr die Stärken der Reihe und dass es Age of Empires 4 (Test) gar nicht mal gebraucht hätte, um alte Genretugenden im modernen Gewand zu präsentieren.

Age funktioniert einfach heute genauso gut wie vor über 20 Jahren. Beim legendären Fantasy-Ableger Age of Mythology wählt Microsoft jedoch einen anderen Weg. Anstatt wie bei den Definitive Editions der Empire-Teile erneut lediglich die Auflösung hochzuschrauben und ein paar Komfortfunktionen zu ergänzen, wurde mit Retold ein von Grund auf gänzlich neues Spiel aus dem Boden gestampft. Und der Aufwand hat sich zumindest qualitativ ausgezahlt.

Die Entwicklung übernahm diesmal nicht das Age 4-Studio Relic, sondern die Schmiede Sky Labs, die unter anderem an Halo Infinite mitwerkelte, aber auch bereits vor zehn Jahren die HD-Fassung von Age of Mythology verantwortete.

Mit „AoM“ kennen sich die Entwickler also bestens aus. Aber auch, wenn hier ein neues, eigenständiges Spiel entstanden ist, haben sich die Macher sehr nah am Original orientiert und die Kampagne nahezu identisch nachentworfen. Retold ist somit ein reines Remake und keine Fortsetzung oder Neuinterpretation.

Das wird schon mit den Fraktionen deutlich. Hier werden keine Experimente gemacht, sondern genau die Parteien wieder ausgegraben, die wir schon 2002 aufs Schlachtfeld schicken durften. Selbst die knapp 40 Missionen der sehr umfangreichen Kampagne sind mit wenigen Ausnahmen nahezu identisch wie in der Vorlage.

Statt in mehreren Kampagnen die verschiedenen Völker auszuprobieren, schickt uns Age of Mythology nur durch einen großen zusammenhängenden Story-Strang, in dem wir immer wieder mal zwischen den drei Fraktionen wechseln. Zusätzlich fährt das Spiel noch zwei Bonus-Kampagnen mit zwei weiteren Völkern auf, die aber nur per DLC enthalten sind.

Im eigentlichen Spiel konzentriert sich auch das Retold-Remake wieder auf die Griechen, die Ägypter und das Nordvolk, die sich alle sehr unterschiedlich spielen und auch sehr verschiedene Mythologie-Inhalte mit sich bringen. Der Fantasy-Ansatz ist natürlich wieder wie vor 22 Jahren das Highlight in diesem Age.

Auf den ersten Blick wirkt Retold in vielerlei Hinsicht wie Age of Empires 4. Dorfbewohner sammeln Holz, Gold und Nahrung für uns ein, ziehen Häuser und Verteidigungsanlagen hoch und bringen alle Ressourcen brav zum Dorfzentrum. Wie es sich für ein echtes Age gehört, ist die korrekte Einteilung der begrenzten Anzahl an Einheiten (die auf 1000 angehoben wurde) wieder das A und O.

Erleichterter Einstieg

Direkt fällt aber auf, dass Sky Labs den Spielern ein bisschen den Einstieg erleichtern will und das an sich sehr komplexe Gameplay möglichst angenehm und stressfrei transportiert. Die Arbeitsaufteilung und Priorisierung der Dorfbewohner etwa kann das Spiel jetzt auf Wunsch komplett automatisch übernehmen. In einem Menü dürfen wir festlegen, welche Ressourcen gerade besonders von Belang sind, entsprechend werden unsere Einheiten von selbst dem Abbau dieser zugewiesen.

Ähnliches gilt für die Fähigkeiten unserer Kampfeinheiten. Besonders die Helden fallen mit ihren diversen Spezialkräften auf, die wir bisher immer von selbst aktivieren mussten. Im neuen Age of Mythology geht das zwar auch, solange wir aber nicht persönlich Hand anlegen, aktivieren unsere Einheiten jederzeit automatisch ihre Fähigkeiten.

Was zunächst nach einer Vereinfachung des Strategie-Schwergewichts klingt, kam uns in den anspruchsvollen Gefechten sehr gelegen. Gerade durch die vielen mythischen Einheiten, die in den normalen Ages fehlen, kann einem schnell der Überblick verloren gehen. Nun dürfen wir uns darauf verlassen, dass unsere Zentauren ohne unser Zutun zuverlässig einen Pfeilhagel auf ihre Feinde regnen lassen, wenn wir sie auf diese loslassen. Oder dass die Medusa-Truppen ihre Gegner zu Stein verarbeiten.

Age of Mythology: Retold geht sogar noch einen Schritt weiter und erlaubt sogar eine automatische Produktion neuer Einheiten, wenn wir welche verlieren. Das Spiel kann uns also eine ganze Menge Arbeit abnehmen, wenn wir das denn wollen. Statt unnötiger Simplifizierung fügen sich diese Komfort-Features jedoch angenehm passend in die Mechanik ein. Zu einfach wird Retold dadurch ohnehin nie, da die Missionen an sich schwer genug ausfallen.

Noch Macken beim Balancing

Und hier steckt etwas der Kriegselefant im Raum. Zum einen arbeiten die Automatisierungen nicht immer so, wie sie eigentlich sollen. Speziell die Dorfbewohner stehen oft beschäftigungslos in der Gegend herum, statt sich eine Arbeit zu suchen. Trotz Automatik kommen solche Ärgernisse noch viel zu häufig vor.

Wirklich Schweißperlen bereitet uns jedoch die Schwierigkeit der Kampagne. Die fällt schon auf der mittleren Stufe ungewohnt hoch aus, auch weil Sky Labs wenig am hohen Anspruch des Originals samt seinen Missionszielen verändert hat. Dass wir häufig ins Schwitzen (und manchmal auch zur Verzweiflung) geraten, ginge an sich auch in Ordnung, würde der Grad der Herausforderung nicht so stark zwischen den Kapiteln schwanken.

War eine Mission gerade noch eine echte Kopfnuss, die uns mit Zeitlimits und fiesen Angriffen des Gegners das Leben schwer gemacht hat, ist die nächste häufig viel zu einfach und schnell wieder vorbei. Immer wieder mussten wir den Schwierigkeitsgrad herunter- oder eben hochschrauben, weil wir mal unter-, mal überfordert waren.

Allgemein hakt es noch etwas an der Balance, auch wenn diese bei all den mythologischen Kreaturen und Kräften überraschend ausgeglichen gerät. Die kultigen Götterkräfte dürfen wir jetzt zwar mehrmals und nicht nur ein einziges Mal benutzen (zum Beispiel einen Meteoritenhagel auf die Gegnerbasis herabregnen lassen oder alle feindlichen Soldaten im Umkreis in Schweine verwandeln) – übermächtig wird das aber nie, da wir für die Wiederverwendung sehr viele Götterpunkte benötigen. Die wir nur in einem Tempel generieren können, der wiederum den Einsatz unserer wertvollen Dorfbewohner bedarf.

Absolut rund läuft das Gesamtgefüge trotzdem noch nicht. Einige Einheiten wie die mehrköpfigen Hydra-Echsen fallen einfach noch zu stark aus und sind kaum zu bezwingen, weshalb in vielen Missionen weniger Taktik gefragt ist als einfach nur möglichst viele Hydras loszuschicken. Zu sehr stechen einige der Fantasiekreaturen heraus, da einige der insgesamt sehr vielen verschiedenen Einheitentypen obsolet werden.

Das Potpourri der diversen Völker und Monster besticht somit zum Teil mehr durch Spaß statt durch Tiefe. Etwas im Weg steht diesem Konzept aber die eigentliche Herausforderung, da der Schwierigkeitsgrad nach den ersten paar Missionen extrem steigt. Hier findet Retold leider nicht immer das richtige Gleichgewicht, auch wenn die Vielfalt der Karten und Völker enorm viel Abwechslung bietet.

Wechselt die Handlung von den Griechen auf die Perspektive der Ägypter, müssen wir etwa einige Gewohnheiten umstellen. Gebäude kosten nun nur noch Gold und kein Holz, dafür arbeiten unsere Dorfbewohner langsamer und in Tempeln können nur noch spezielle Priester beten. Die Wikinger dagegen bestechen durch ihre Schnelligkeit. Eine Basis errichten sie in Windeseile, da auch ihre Soldaten Gebäude bauen dürfen. Gunst für Götterkräfte generieren sie außerdem nur solange sie kämpfen.

Mythische Kreaturen: was für ein Spaß!

Ein wilder Mix, durch den das Spiel nie langweilig wird. Speziell der häufige Wechsel zwischen den Völkern macht in der Kampagne Laune. Und natürlich das Arsenal an verschiedenen Göttern und Kreaturen, das nahezu alles auffährt, was Mythen, Sagen, Horrorgeschichten und Monster-Legenden so hergeben.

Bekanntermaßen werkelt Relic aktuell an einer neuen Version von Age of Mythology. Hier gibt es frische Szenen!

Bei den Wikingern kriegen wir es mit Drachen zu tun, in Ägypten dürfen wir Skarabäus-Plagen losschicken und im antiken Griechenland fallen wir nicht nur selbst mit dem berühmten Holzpferd in Troja ein – riesige Kolosse und schlagkräftige Zyklopen helfen uns dabei.

Welche Kreaturen und Kräfte wir überhaupt haben, entscheidet sich, wenn wir ganz Age-typisch ins nächste Zeitalter voranschreiten. Fünf davon sind es diesmal und bei jedem Aufstieg müssen wir uns zwischen zwei Göttern entscheiden, welchen wir künftig anbeten wollen. Die daraus resultierenden Belohnungen sind gänzlich unterschiedlich. Für das vierte Zeitalter zum Beispiel haben wir als Ägypter die Wahl zwischen Osiris und Horus. Letzterer schenkt uns einen Tornado und die flinken Rächer-Kämpfer. Beim Totengott Osiris jedoch wird unser Pharao in einen göttlichen Superkrieger verwandelt und mit Mumien bekommen wir eine neue Einheit, die besiegte Feinde als befreundete Untote wiederauferstehen lässt.

Immer wieder haben wir also die Qual der Wahl – und meistens jede Menge Spaß, weil so jedes Volk in jeder Runde noch mal gänzlich neu entdeckt werden kann.

Der Grafik-Gott ist zufrieden

Hätte es dafür aber nicht auch ein einfaches Remaster getan? Mitnichten, denn die neue Grafik hievt Age of Mytholgy auch technisch in ein neues Zeitalter. Konnte Age of Empires 4 optisch noch nicht ganz so überzeugen, gibt sich Age of Mythology: Retold keinerlei Blöße und dürfte jeden Grafik-Gott zufriedenstellen.

Einen recht potenten PC vorausgesetzt, besticht das Remake mit opulenten Karten, detaillierten Gebäuden wie Einheiten und feinen Schatten und Lichteffekten. Sobald Wasser ins Spiel kommt, spielt Retold grafisch noch mal in einer eigenen Liga. So schöne Meere, Wellen und Flüsse haben wir in noch keinem Strategiespiel zu Gesicht bekommen. Zumindest optisch ist das neue Age also ein absoluter Volltreffer.

Die Neuauflage von Age of Mythology wurde auf der gamescom ONL erstmals mit einem Gameplay-Trailer bedacht.

Der Sound kann da größtenteils mithalten, die bekannten Sprüche und Effekte sind ordentlich. Jedoch dürfte nicht jedem die neue Sprachausgabe gefallen, denn die kultige Vertonung aus dem Ur-Mythology ist einer gänzlich neuen Sprecher-Besetzung gewichen, die dennoch einen guten Job macht.

Störend fiel uns in der Testversion lediglich der stetige Wechsel zwischen englischer und deutscher Sprache aus. Hier wird bis zum Release hoffentlich noch nachgebessert, ebenso bei der KI, die immer wieder kleinere Aussetzer hat. Nicht nur die gegnerischen Armeen reagieren häufig mit wenig schlauen Manövern (oder manchmal auch gar nicht auf uns), auch unsere eigenen Einheiten, führen manchmal falsche Befehle aus oder rennen unüberlegt in feindliche Truppen hinein. Und wenn der Dorfbewohner mal wieder einfach grundlos seine Aufgabenkette abbricht, ist das Chaos komplett.

… ihr das Original liebt und seit 20 Jahren auf ein modernes, rundes Age wartet.

… ihr noch neu im Strategiegenre seid und etwas Zugängliches zum Einstieg sucht.

Fazit

von Alexander Friedrich

Ein vorbildliches Remake, das Age of Empires 4 weit in den Schatten stellt. Nur beim Balancing hapert es derzeit noch

Zugegeben reizten mich die historisch und realistisch angehauchten Age-Teile immer deutlich mehr als der Fantasy-Ableger Mythology. Doch Vorurteile gegen das bunte, wilde und bisweilen auch überladene Retold-Remake sind wirklich fehl am Platz. Microsoft hat hier ein verdammt launiges, aber in erster Linie auch verdammt gutes Echtzeitstrategiespiel im frischen Gewand auf die Beine gestellt. Vielleicht ist das neue Mythology-Age sogar am Ende der größere Wurf als das hinter den Erwartungen gebliebene Age of Empires 4.

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Anders als dort überzeugt hier die Kampagne mit durchgehend unterhaltsamen Missionen, spannenden Helden und coolen Ideen wie die überarbeiteten Götterkräfte. Meiner Begeisterung im Weg stand nur etwas der teils sehr hohe Schwierigkeitsgrad, der vor allem mit seinem ständigen Auf und Ab meine Geduld strapaziert hat. Knallhartes Profi-RTS oder kurzweilige Unterhaltung? So steht das im Grunde sehr vorlagengetreue Remake leider etwas zwischen den Stühlen.

Allein für all die vielen genialen Ideen, die toll gestalteten Karten und Kreaturen und speziell wegen der beeindruckenden Grafik lohnt sich Retold aber für jeden Fan klassischer Echtzeit-Kost.

Überblick

Pro

  • sehr gute Grafik mit modernen Technik-Kniffen wie Raytracing
  • starker Umfang samt Skirmish und Multiplayer
  • sehr lange Kampagne plus Bonusvölker
  • gutes altes Age-Spielprinzip mit klassischer Schere-Stein-Papier-Mechanik
  • jedes Volk spielt sich anders
  • zahlreiche spaßige Monster und Kräfte
  • Komfortfunktionen und Automatisierungen nehmen Arbeit ab

Contra

  • Fehler und Wechsel in der Sprachausgabe
  • Schwierigkeit schwankt zu stark
  • Kampagne generell etwas zu schwer
  • KI und Befehlsketten oft unzuverlässig und fehlerhaft

Awards

  • Age of Mythology: Retold: Test: So schön kann antik sein (7)
    • PC
Age of Mythology: Retold: Test: So schön kann antik sein (2024)
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Author: Kimberely Baumbach CPA

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